Anreise und die ersten Tage
Eine Woche ging es für mich im Februar 2023 in die Heimat des Karnevals, Rio de Janeiro. Es war der letzter Stopp meines Backpacking-Abenteuers in Südamerika, bevor es zurück nach Buenos Aires und von dort aus nach München ging. Ich lernte in Santiago de Chile drei andere Reisende kennen, mit denen ich dann zusammen nach Rio flug. Bereits am Flughafen wurden wir von lauten Trommlern und verkleideten Tänzern empfangen, obwohl der Karneval erst zwei Tage nach unserer Ankunft offiziell startete. Vom Flughafen aus trennten sich erstmal die Wege von meinen Freunden und mir, denn wir hatten unterschiedliche Unterkünfte gebucht. Für mich ging es alleine weiter, in das billigste Airbnb der gesamten Stadt, das allerdings trotzdem akzeptable Bewertungen hatte und sich in keiner all zu schlechten Lage befand. Also rein in den Uber und ab nach Botafogo. Dieses Viertel liegt zwischen Flamengo und Copacabana, also nicht weit entfernt von vielen Sehenswürdigkeiten. Zudem wurde mir im Vorhinein gesagt, es sei ein sicheres Viertel, was sich im Nachhinein als nicht ganz richtig herausstellte, aber dazu später mehr. Das Hostel lernte ich im Laufe der Woche zu lieben und ich schaue mittlerweile sehr nostalgisch auf die Zeit zurück, aber der erste Eindruck war alles andere als begeisternd. Ich kam abends an und war ziemlich fertig vom Flug, also freute ich mich auf mein Bett. Ich teilte das Zimmer mit fünf anderen Personen auf engstem Raum, mit einem Gemeinschaftsbad. Mir wurde das Bettzeug in die Hand gedrückt und da ein Mitbewohner bereits schlief, leuchtete ich mit der Handy-Taschenlampe auf mein Bett. Und was soll ich sagen, ich habe wirklich keine allzu hohen Ansprüche was Hostels angeht, aber das war doch etwas drüber: Benutzte Becher mit Alkoholresten auf der Matratze verteilt, die massenhaft Insekten angelockt haben, überall Müll und ein Presslufthammer direkt neben meinem Bett, keine Ahnung was der da zu suchen hatte, aber naja, wenigstens war er aus. Ich putzte meine Matratze so gut es ging, steckte mir die Ohrenstöpsel rein und schlief ein. Die Nacht verlief eher so semi, ein Mitbewohner schnarchte so laut, dass man zwischendurch doch dachte der Presslufthammer wäre an und aufgeweckt wurde ich, als er mitten in der Nacht plötzlich laut aufschrie, wahrscheinlich schlecht geträumt.

Am nächsten Morgen ging’s vom Hostel aus erstmal auf eigene Faust Richtung Mureta de Urca, eine Promenade mit Blick auf den Hafen und der Christusstatue. Die Statue hat mich bereits von weiter Entfernung beeindruckt und man sieht sie wirklich von der ganzen Stadt aus. Danach ging’s weiter zum kleinen Strand „Praia Vermelha“, der umgeben ist von Bergen und dem berühmten Zuckerhut. Auf dem Weg habe ich viele Papageien gesehen und die Landschaft hat mich echt umgehauen. Zwischendurch kommt es einem vor, als wäre man im Dschungel und nicht in einer Riesenmetropole. Nachmittags traf ich mich mit den anderen und wir besuchten den Botanischen Garten, wo wir unter anderem eine riesige Affenbande sehen konnten. Wir aßen das typisch brasilianische Gericht Feijoada, ein deftiger Eintopf aus Fleischstücken mit schwarzen Bohnen, Reis, geröstetem Maniokmehl und Pommes als Beilage. Die Preise in Rio sind insgesamt deutlich billiger als in Deutschland, aber trotzdem teurer als in den Großstädten Argentiniens. Man muss aber auch dazu sagen, dass während Karneval viele ihre Preise deutlich anziehen. Abends ging’s dann an den Ipanema-Beach, der nach dem Copacabana-Beach wohl am berühmtesten in Rio ist. Wir ließen den Tag mit einigen sehr billigen Cocktails an der Strandpromenade ausklingen, bevor es für mich wieder zurück ins Hostel ging.



Für den nächsten Morgen war eine geführte Tour durch eine der sichersten und organisiertesten Favelas geplant, die Favela Santa Marta. Sie ist berühmt geworden durch Michael Jackson, der dort sein bekanntes Musikvideo für den Song „They don’t care about us“ gedreht hat. Das Viertel verteilte sich über einen Berg und auf unserem Weg bis ganz nach oben wurde uns schnell klar, dass wir uns in einer ganz anderen Welt befanden. Die Armut in diesem Teil Rios war kaum zu übersehen: Heruntergekommene Häuser, überall Müll und dreckige Gassen. Die Menschen waren jedoch größtenteils sehr freundlich. Wir hielten an dem besagten Balkon des Musikvideos, der von Graffiti von Michael Jackson und seiner Statue gefüllt war. Das Thema Sicherheit in Favelas wurde oft angesprochen, aber unserer Guide kannte wirklich jede Person der Favela und deshalb fühlten wir uns sicher. Das änderte sich aber sehr schnell, als ich alleine in eine heruntergekommene Bar ging, um mir ein Getränk zu kaufen. Ich ging hinein und wurde von allen Seiten angeschaut, was erstmal nichts beunrugigendes war. Als ich auf meine Cola wartete, sah ich neben mir drei Jugendliche, einer mit einer Pistole im Hosenbund und der andere mit einem Maschinengewehr über seiner Schulter. Ich war froh, als ich wieder bei den anderen war.
Nach der Tour trennten sich vorübergehend die Wege meiner Freunde und mir und wir wollten uns am Copacabana Beach wieder treffen. Also machte ich mich auf den Weg von Botafofo zum Strand und dann passierte es: ich landete das zweite Mal an diesem Tag in einer Favela, diesmal jedoch ohne Guide und ganz alleine. Schuld trug natürlich ich und Google Maps. Google Maps hatte mich während meiner gesamten Reise nie im Stich gelassen, aber hier wurde mir ein Weg angezeigt, den Touristen eher meiden sollten. Ich ging eine unglaublich steile Straße hoch und folgte dieser ein wenig, bis ich mich plötzlich in einer ganz anderen Umgebung wiederfand. Autowracks und Müllberge am Straßenrand, zerstörte Gebäude und kein einziger Tourist mehr weit und breit: Ich war schnurstracks in eine Favela gelaufen. Da Google mir aber nur diesen einen weg anzeigte, ging ich weiter. Schlussendlich ist mir nichts passiert und ich bin heil aus der ganzen Situation herausgekommen, aber ich lernte ein paar wichtige Dinge: Zum einen gibt es keine klare Warnschilder oder ähnliches, man biegt einmal falsch ab und findet sich in einer Favela wieder, zum anderen lernte ich, Google Maps auch mal zu hinterfragen. Meine Freunde, die ja eigentlich den gleichen Weg gehen mussten, erzählten mir später, es gäbe einen Tunnel, der unter die Favela durch führt. Nachdem wir uns am Copacabana Beach etwas ausgeruht hatten, ging es weiter in einen Club und um 6 Uhr morgens kam ich im Hostel an und schlief nach diesem anstrengenden, aber wunderschönen Tag sofort ein.



Karneval, Tag 1
Der Tag begann eigentlich erst abends, ich versuchte tagsüber irgendwie Schlaf nachzuholen, aber vergeblich. Die Klimaanlage ist nur über die Nacht an und da ich erst gegen sieben Uhr morgens ins Bett kam, lag ich bei gefühlt vierzig Grad in meinem Sechserzimmer und träumte von einem kühlen Luftzug. Zu allem Überfluss war mein Hostel auch gleichzeitig eine Bar und das kombiniert mit dem offiziellen Karneval-Start…naja, eigentlich war ich auch nicht nach Rio gereist, um zu schlafen. Also gab ich die Mission Schlafen auf und wollte mit einem Uber zum Airbnb meiner Freunde fahren, aber das stellte sich sehr schnell als weitere Mission Impossible heraus. Die Straßen vor meinem Hostel, die die vergangenen Tage noch menschenleer waren, waren jetzt mit riesigen Menschenmassen gefüllt. Meine Erwartungen an den Karneval hier waren groß, aber irgendwie dachte ich, es gäbe nur eine Riesenparade an einem Ort. Da die sogenannten „Blocos“, also Paraden, aber an sehr vielen Orten gleichzeitig stattfinden, ist die gesamte Stadt eigentlich eine riesengroße Party. Überall halbnackte Menschen in Kostümen, laute Musik und ausgelassene Stimmung. Ein Traum! Ich war begeistert, aber musste erstmal ein paar Kilometer durch die Menschenmassen gehen, um an einen Ort zu gelangen, der für einen Uber erreichbar war. In Tijuca angekommen tranken wir ein paar Bier und gingen dann zum Sambodromo, das wohl sinnbildich für den Karneval in Rio steht. Hier zeigen die Sambaschulen ihre bunten Paraden in einem riesigen Stadium. Man unterschiedet hier zwischen den Paraden der Access Group, der Special Group und Winners Parade. Wir hatten Tickets für die Access Group und waren begeistert. Das ganze Spektakel dauert bis etwa 5 Uhr morgens, wir hielten nicht ganz so lange durch. Worte können dieses Spektakel kaum beschreiben, also lasse ich die Bilder sprechen.



Karneval, Tag 2 & 3
Da es meinen Freunden heute nicht gut ging, machte ich mich alleine auf den Weg, noch einige Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Das ist zwar während Karneval möglich, aber die Menschenmassen erschweren es auf jeden Fall. Es ist wirklich unglaublich, in jeder Ecke sind Paraden, Partys und Musik. Nicht falsch verstehen, ich bin genau aus diesem Grund nach Rio gereist, aber das Ganze kann trotzdem irgendwann anstrengend werden. Die Blocos sind auch zu jeder Uhrzeit, es gibt welche die um 5 Uhr morgens starten und andere, die erst abends beginnen. Dementsprechend gibt es während Karneval keine Sekunde in Rio, in der mal Pause angesagt ist. Mein Ziel waren die Escadaria Selarón, bunte Treppen und graffitiverzierte Gassen. Ansonsten war der Tag nicht allzu spektakulär und ich bin früh schlafen gegangen.
Am nächsten Morgen ging es für uns mittags auf eine Bloco do Sargento Pimentain in Flamengo. Eine riesengroße Party mit Hits der Beatles. Diese Bloco zählt zu den beliebtesten in Rio und ich konnte das absolut nachvollziehen. Ein Kostüm toller als das andere, obwohl die meisten fast komplett nackt tanzen, was angesichts der prallen Hitze auch mehr als verständlich war. Wir tranken Cocktails und feierten, bis wir irgendwann eine Pause brauchten. Und dann ging es endlich zur vermutlich berühmtesten Sehenswürdigkeit in Rio, der Cristo Redentor. Man sieht sie von jedem Ort in Rio aus und auch zu jeder Zeit (nachts ist sie beleuchtet). Umso mehr freute ich mich also auf die Statue. Wir fuhren mit einem Zug durch den Dschungel den Berg hoch, bis nur noch ein paar Treppen zwischen uns und der Statue waren. Ich sprintete hoch und war überwältigt. Wir hatten Glück mit den Wolken und konnten die Statue in voller Pracht bestaunen. Um die Statue herum erwartet einen außerdem ein Ausblick über ganz Rio de Janeiro. Es war unglaublich. Während ich mich danach im Hostel etwas ausruhte, lernte ich ein paar andere Reisende kennen, die den Plan hatten, die Nacht über am Copacabana Strand zu zelten. Also schloss ich mich ihnen an, wir hörten die ganze Nacht Musik und genossen das Rauschen der Wellen. Der anschließende Sonnenaufgang war bestimmt einer der schönsten in meinem Leben.





Letzter Tag
Gegen Mittags entschied ich mich, zum Zuckerhut zu gehen und mit dem Teleferico hochzufahren. Nachdem ich ca. 30 Minuten anstand ging es erst auf den kleineren Berg Morro do Urca und anschließend auf den Pão de Açúcar (Zuckerhut). Die Aussicht war wunderschön. Das Meer, das die Stadt umgibt, lauter kleine Inseln, Strände und so viele grüne Berge. Abends ging es ein letztes Mal mit meinen Freunden zum Copacabana Beach, wir tranken aus Kokosnüssen und genossen die letzten Momente zusammen. Dann hieß es Abschied nehmen und ein paar Stunden schlafen, bevor es schließlich um 4 Uhr nachts Richtung Flughafen ging und von dort aus weiter nach Buenos Aires.
Fazit
Rio de Janeiro ist für mich wahrscheinlich die beeindruckendste Stadt, die ich je besucht habe. Sie bietet einem einfach alles, Berge, Dschungel, Meer und nette Menschen. Das Stichwort Sicherheit ist definitiv ein Thema, das man nicht einfach ignorieren sollte, aber mit ein bisschen Vorsicht wird einem sehr wahrscheinlich nichts passieren. Die Stadt während Karneval erlebt zu haben, war ein unvergleichliches Erlebnis, das ich jedem nur empfehlen kann. Wenn ihr eigentlich nur die Stadt selbst sehen wollt, empfehle ich euch aber einen anderen Zeitraum, da vor allem die Hotelpreise während der Karneval-Zeit mindestens dreimal so hoch sind wie sonst. Allen anderen, die Partys und Karneval lieben, kann ich nur ans Herz legen: Macht es, ihr werdet eine unvergessliche Zeit haben.
